Gedankenfäden
Heute, der 27.
Februar.
Gestern
war auch heute, der 26. Februar. Am 24. Dezember war auch heute, und
morgen wird auch heute sein. Heute wurde ich geboren, heute verlasse ich
diese Welt, quasi.
Bis
dahin steht auf meinem Schreibtisch heute ein weißer Teller, drauf ein roter
Apfel. Und der Schwanz von Katze Kiki ist heute auf der gleichen Seite wie gestern.
Ich
spinne gerade so vor mich hin, dass es auf der Welt ungefähr 7.228.072.985
Menschen gibt. Kein einziger Mensch auf diesem Erdenrund hat aber
denselben wunderbaren Ausblick auf einen
Teller mit rotem Apfel, wie ich. Auf meinen weißen Teller mit rotem Apfel. Die, jetzt schon
7.228.083.564 Menschen auf unserem Planeten, sehen alle, jeder für sich, in
derselben Sekunde, etwas ganz anderes.
Unsere
Blicke zerfetzen die Realität milliardenfach und schicken diese Fetzen per WLAN
an unsere Gehirne. Ungezählte, meist bewusst kaum wahrgenommene Bildteile
fliegen durch unsere Augen. Dort im grauen Zentralorgan der schultermittigen Oberwelt
wird dieses Kuddelmuddel umständlich bildverarbeitet
und dann blitzschnell zu komischen Gefühlen und Empfindungen transformiert und
unsere Fantasie damit genährt.
Mein
Gehirn gaukelt mir also vor, dass mein Apfel rot ist. Ich würde so gerne diesen
Apfel mit deinen Augen sehen. Ja, mit deinen, der, die, das
gerade diese Zeilen liest. Weil du ja scheinbar nicht Besseres zu tun hast.
Also,
könnte ich den Apfel mit deinen Augen sehen, wäre das möglicherweise ein Schock
für mich. Ich würde vielleicht feststellen, dass mein Apfel, aus meiner Sicht
mit deinen Augen gesehen, eigentlich grün ist, du ihn nur rot zu sehen glaubst, weil
dein Gehirn es dir so befiehlt. Claudia Roth, die Grüne, wäre, aus meiner Sicht
mit deinen Augen gesehen, dann Claudia Grün, die Rote. Und vielleicht so schön, dass
sie Miss Germany sein könnte.
Weißt
du was? Ich warte lieber, bis einer aus der Karibik vorbeischaut. Ich würde
meinen Apfel auf meinem weißen Teller, aus meiner Sicht mit seinen Augen,
vielleicht als tiefazurnes Meer mit weißem Segelboot sehen. Das wäre der
richtige Schock für mich. Meinst du nicht?
Du
bist mir doch nicht böse, oder?